An dieser Stelle gab es schon
immer Lebensmittel.
Die
Gemüsebaracke war eine Institution
Betreiber Sigfried Kelle (1916-1990) war nicht nur ein Rechengenie, er
bewies auch herausragende Fähigkeiten beim Handeln und Organisieren. So wurde der
Laden „Kelle“ zur Zentrale eines Netzwerkes aus zahlreichen Geschäftsinhabern
der Umgebung. Kunden freuten sich, hier gelegentlich die begehrte „Bückware“ zu
bekommen. Schwangere wurden dabei gerne bevorzugt, Hamsterkäufer eher
benachteiligt. Für Geschäftspartner diente die Bückware als inoffizielle
Währung.
Bückware
nannte man in der DDR alles, was oft nur unter dem Ladentisch zu finden war,
man sich dafür also bücken musste. Zu den beliebtesten Bückwaren in der DDR gehörte
damals Räucheraal, ungarische Salami, Ananas in Dosen, Berliner Pilsner,
Spargel aus Rehfelde oder Obst der Saison, wie Erdbeeren und Kirschen.
Warenbeschaffung und Verkauf
Mitten
in der Nacht zog Kelle los, um möglichst begehrte Waren für seinen Laden zu
besorgen. Frühmorgens half dann Sohn Reinhard, den Barkas B1000 nach Vaters
Rundtour abzuladen. Später am Tag trafen sich bei Kelle die Geschäftspartner.
Kunden standen häufig Schlange, wenn es mal wieder ein besonderes Angebot gab. Sie
legten es dann in ihre Selbstbedienungs-Drahtkörbe und gingen zur Kasse. Herr
Widhalm, ein Kunde aus dieser Zeit, schwärmte noch 30 Jahre nach Herrn Kelles
Tod von dessen Rechenkünsten. Er konnte mühelos die krummen Preise der ersten
10 Produkte aus den Körben seiner Kunden im Kopf zusammenrechnen.
Wohnhaus
Anfang der 1890er finden sich die ersten
Hinweise auf ein Wohnhaus der Ecke Seestraße / Friedrichstraße. Der erste
Eigentümer Wilhelm Trucks war Gastwirt.
Gaststätte
„Zur Klause“
Seit 1905 stand an
diesem Ort ein großes Wohn- und Geschäftshaus. Unten war die Kneipe „Zur
Klause“, oben wohnten auch die Eigentümer. Im Laufe der Zeit wechselten die
Betreiber der Gaststätte: anfangs Wilhelm Trucks, ab 1910 Gottlieb Schulze, später seine Witwe, ab 1924
Albert Zernicke und ab 1934 Herr Stadelmann.
Bombenangriff
8.3.1944 – das
gesamte Gebäude wurde zerstört
HO Obst & Gemüse
in einer Baracke
Nach dem Krieg wird
auf dem Gelände eine Baracke errichtet. Zunächst nur in der linken Hälfte,
später in der ganzen Baracke verkauft Herr Kelle Obst und Gemüse.
HO-Kaufhalle
1980 eröffnete auf
dem Gelände eine der typischen DDR-Kaufhallen. Sie war die erste von zwei
Kaufhallen, die im Zuge der kompletten Neugestaltung des Erkneraner Zentrums
mit Plattenbauten entstanden. Die Halle bot alles, was eine HO-Kaufhalle im Sozialismus so zu
bieten hatte.
Supermarkt im
Geschäftshaus
1994 wird die
einstige Kaufhalle abgerissen und ein modernes zweigeschossiges Büro- und
Geschäftshaus errichtet. Unten zieht Minimal, der spätere Rewe ein, weiterhin
quartieren sich Ärzte, die Schülerhilfe, ein Dönerladen und viele wechselnde
Mieter ein.
Heute gibt es sechs Supermärkte in Erkner, für die Halle an der Seestraße wird gerade ein neuer Mieter gesucht.
Herr Kelle, der Inhaber des einstigen HO Obst &
Gemüseladens, arbeitet natürlich nicht mehr. Sein Sohn führt ebenfalls ein Geschäft. Mit dem fachlichen Hintergrund als Maschinenbauingenieur und als leidenschaftlicher Radsportler verkauft und repariert er Fahrräder in den
Ladenvorbauten auf der anderen Seite der Friedrichstraße.
Rike Fahrradladen
Inhaber: Reinhard Kelle
Erkner, Friedrichstraße 60
Tel. 03362 2 43 03
Geschäftshaus Seestraße 46a
WDM Wohnservice
13409 Berlin, Provinzstraße 40a
Tel. (030) 509 695 90-0
www.wdm-wohnservice.de
Kaufhalle Seestraße
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Sponsor:
Stadt Erkner
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Fotos und Texte:
Frank Retzlaff,
Stadtarchiv Erkner
Sprecher
Reinhard Kelle,
Ladenbesitzer in Familientradition
Tontechnik & Schnitt:
Karl Rouselle
Aktualisierung:
Juni 2023